Stefan Meyer ist einer dieser Menschen. Der 39-Jährige hat eine schubförmig verlaufende Variante der chronischen Autoimmunerkrankung – eigentlich ein sehr schwerer Fall. Lange litt er unter Beschwerden und hielt den Stress im Studium kaum aus, ohne zu wissen warum.
Als er seine MS-Diagnose bekam, war er zuerst überrascht, dann betroffen, dann geriet das Leben aus der gewohnten Bahn. Meyer musste mitten in einer Prüfungsphase ins Krankenhaus. „Anfangs hatte er zahlreiche Schübe mit neurologischen Ausfällen, verursacht durch Entzündungsherde im Gehirn““, berichtet Prof. Dr. Thomas Postert, Neurologie-Chefarzt der St. Vincenz-Kliniken.
Schnell entschied sich Stefan Meyer, die Krankheit aktiv anzugehen. Der angehende Informatiker wechselte die Universität, um den Stress zu senken. Das erste Medikament wirkte nicht gut, der Besuch in einer Selbsthilfegruppe drückte ihn nieder. Meyer entschied sich zum Umdenken. Er kaufte ein Motorrad, später ein Auto. „Ich wollte aktiv leben, solange ich noch kann“, erinnert er sich. Der zweite Therapieansatz wirkte dann deutlich besser.
„Wir können MS zum Stillstand bringen“
Das Leben genießen kann er darum immer noch – dem medizinischen Fortschritt sei Dank. „Multiple Sklerose ist nicht heilbar“, erklärt Prof. Dr. Thomas Postert, „aber wir können sie bei einem großen Teil der Patienten zum Stillstand bringen.“ So auch bei Stefan Meyer, der nach wie vor sportlich aktiv ist, gern auf dem Rennrad sitzt und Reisen unternimmt.
Auch den Traum von der Familie hat er sich gemeinsam mit seiner Frau erfüllt – die Beiden haben inzwischen zwei Kinder. Beruflich geht es Stefan Meyer ebenfalls gut, er arbeitet als IT-Spezialist. Sein Büro liegt im ehemaligen Landeskrankenhaus in der Kisau, bis 2013 ein Standort der St. Vincenz-Kliniken: „“Der Behandlungsraum, in dem ich meine MS-Diagnose bekam, lag eine Etage über meinem heutigen Büro.“ Ein Kreis hat sich geschlossen, erfreulicherweise zum Guten.
„Man kann viel zum Positiven verändern“
Darüber freut sich auch das Neurologie-Team um Thomas Postert. „Besonders bei den schubförmigen Erkrankungen haben wir enorme Therapieerfolge“, berichtet der Chefarzt. Und das führt dazu, dass er manchen Einkaufsweg oder Spaziergang zuweilen in besonderer Weise genießen kann: „Ich freue mich immer, wenn ich unterwegs einen Patienten sehe, dem es gut geht.“ Dank des medizinischen Fortschritts bleibe die Lebensqualität und Mobilität vielen Menschen erhalten.
Stefan Meyer bestätigt das gern. Keine Lähmungen, keine Muskelschwäche, nur bei einem starken Infekt schmerzen zuweilen die Augen – das ist fast alles. „Wer eine MS-Diagnose bekommt, sollte den Kopf nicht hängen lassen“, empfiehlt der 39-Jährige: „Wenn man die Krankheit aktiv angeht und sich helfen lässt, kann man oft vieles zum Positiven verändern.“
Er selbst ist das beste Beispiel dafür.
Hintergrund: MS-Therapie im St. Vincenz-Krankenhaus
Als Thomas Postert vor 20 Jahren seine Arbeit in der Neurologie aufnahm und Behandlung für MS-Patienten anbot, gab es in Paderborn nahezu keine Versorgung für MS-Patienten. „Wir sind klein angefangen“, erinnert sich der Professor. Das neue Angebot stieß auf viel Resonanz. Bald entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten.
Prof. Postert und sein Team therapieren stationär und ambulant, setzen immer wieder neu entwickelte Therapien und Medikamente ein („alles, was es gibt“) und haben heute ein Einzugsgebiet von 100 Kilometern.
Rund 500 MS-Betroffene pro Jahr werden im St. Vincenz-Krankenhaus stationär behandelt. Die Neurologie ist von der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft zertifiziert. Seit Jahren bietet das MS-Team Fortbildungen für Ärzte, Krankenpflegekräfte und Physiotherapeuten an, um seine Expertise weiterzugeben. Beispielhaft sei der „Paderborner Tag der Multiplen Sklerose“ genannt, der im letzten Jahr zum 10. Mal stattfand und der bis zu 500 Besucher anzieht.